Im Dezember 1812 war es bitterkalt. Der Schneider und Krüger Schmidt hatte die Luken an den Fenstern verrammelt; er saß bei seiner Tranfunzel auf dem Tische und stichelte an einer Arbeitshose. Seine Frau strickte am Ofen und meinte: „Schorse, lat us man na'n Bedde Bahn, bi düssen Sneidrieben is doch kein Gespann mehr unnerwegs, Gäste komet nich mehr." Sie hatte recht, denn es war wirklich barbarisch kalt, so daß im nahen Jesseröder Holze schon einige Birken vor Frost geplatzt waren; ihr Mann hatte in seinem Garten am Braunkohl auch schon ein paar Hasen in der Schlinge gefangen.
Als nun der Krüger die Haustür verriegeln wollte, hörte er in Richtung Helmstedt auf der Lüneburger Heerstraße das Schellengeläut eines Schlittens. Bald hielt das Fuhrwerk vor seiner Tür. Aus dem geschlossenen Aufsatz des Schlittens stieg ein Mann in zerknitterter Uniform. Als er den Wirt bemerkte, bestellte er zwei große, heiße Grogs; aber schnell müßte es gehen. Kurze Zeit darauf dampfte das heiße Getränk in den Gläsern. Eines trank der Uniformierte selbst, das andere brachte er dem Insassen des Schlittens. Der neugierige Schmidt warf einen Blick in das Innere des Aufbaues und sah einen kleinen, untersetzten Mann mit schwarzen Haaren und weißer Gesichtsfarbe, bekleidet mit einem grünen Rocke und weißer Hose. Kaum hatte dieser ausgetrunken, da drückte der erste Uniformierte dem Krüger das leere Glas und ein Goldstück in die Hand, stieg ein und rief dem Kutscher ein fremdes Wort zu. Im Nu zogen die Pferde an, und der Schlitten verschwand im winterlichen Schneesturme in Richtung nach Gut Trendel.
Krüger Schmidt wunderte sich über die überaus gute Bezahlung und orakelte mit seiner Frau, wer wohl diese beiden Fremden — denn als Ausländer hatte er sie an der Sprache erkannt — gewesen seien. Seine Frau erklärte mit einem Male: „Sdiorse, kiek mal den Lujedor an, dat is dä Kerel, dä'r inne was un nich rutkam." Als nun Krüger Schmidt das Goldstück genau betrachtete und sich das Gesicht des Reisenden vorstellte, sagte er zu seiner Frau: „Giff mek mal den Kalenner her, ik globe, dä Kerel was Napoljum." Und siehe, im Kalender stand als Kaiser der Franzosen ein kleiner Mann im grünen Rock und weißer Hose, den er genau als den Reisenden erkannte, der nicht ausgestiegen war.
Von Lehrer Herbert Bodtke, Emmerstedt.